1. Juli 2007

Seoul: Back to Reality

Nach über 4 Monate ist es soweit: zum ersten Mal wieder raus aus China. Los gehts am Freitagmorgen mit unserer sechsköpfigen Reisetruppe (Katja, Chrisi, Dominic, Patrick, Daniel und ich), mit der Maglev und über 300 km/h zum Flughafen. 40 Minuten vor Abflug checken wir dann doch auch schon ein – das Flughafenpersonal sieht dann auch so aus, als ob es schon etwas spät und stressig wär. So schnell hab ich auch vorher noch nie eingecheckt! Auf dem Weg zur Sicherheitskontrolle noch schnell die paar Zettelchen ausfüllen, vorbei an der ziemlich langen Schlange zur bevorzugten Behandlung und rein in den Flughafenbus Richtung Flugzeug (das natürlich wie immer hier in Shanghai irgendwo im letzten Eck des Flughafens geparkt hat). Ja, die meisten Fluggäste sitzen schon ... aber wär überhaupt kein Stress gewesen, denn auch nach uns kommen noch welche. Und nur knappe 2 Stunden später sind wir schon in Korea. Raus aus dem Flughafen – und wir schwitzen noch gar nicht! Angenehme Temperaturen, nicht schwül, oh ja, das hatten wir lange nicht mehr. Etwas ohne Plan suchen wir unseren Shuttlebus, als und plötzlich einer der Helfer anspricht. Auf Englisch!! Das reisst uns erst einmal aus allen Wolken. Englisch?? Der nette Mann hilft uns dann, die Tickets zu kaufen und lotst uns zum richtigen Bus. Als wir nach einer Fahrt durch viel grün aus dem Bus aussteigen, verbeugt sich der Busfahrer vor jedem. Hilfsbereit? Service? Ok, wir sind nicht mehr in China ... und erleben gerade so etwas wie einen reverse culture shock! So läuft das also in der Zivilisation ;-)

Nächste Aufgabe: Hostel finden. Dank guter Wegbeschreibung gar nicht so schwer, aber doch anders als sonst: an der Tankstelle SK1 gerade aus, an der Tankstelle SK2 rechts abbiegen, an der dritten Kreuzung nach links, gleich wieder rechts an der Werkstatt mit der Leuchtreklame, dann beim Friseursalon nochmal links. In Seoul gibt es nämlich nicht für jede Straße einen Namen, und wenn dann weiß ihn keiner... Wir wohnen in einem sehr netten Hostel inkl. Frühstück, Internet und allem was man braucht. Und man zieht die Schuhe vor der Tür aus. Wie anscheinend überall in Korea.

Also los in die Stadt. Schon von Anfang an fallen uns diese Minihäuser auf. Nur ein paar Stockwerke, man sieht nur sehr wenige Hochhäuser (und die würden in Shanghai nicht mal auffallen, weil sie so klein sind). Mit der Metro gehts in die Innenstadt – ah, auch ein Metrosystem gibt es hier! Verglichen mit den mickrigen vier Linien in Shanghai ist der Metroplan Seouls erst einmal verwirrend... und die Metro ist so leer! Als wir auf den Seoul City Bus warten, mit dem wir eine Tour durch die Stadt starten wollen, werden wir von einem Obdachlosen angepöbelt, und zwar ziemlich penetrant. Nach einiger Zeit kommt dann auch ein Polizist vorbei (davon laufen hier mehr als genug rum!) – und drückt den Mann erst mal auf den Boden. Ein Passant mit Gipsarm hilft ihm dabei dann auch noch, als er nicht stillhalten will. Nach einiger Zeit lässt er ihn wieder los, doch der Pöbler kann sich erst mal nicht mehr bewegen. Das hat wohl gewirkt! Als er wieder aufstehen kann folgt er schön artig aufs Polizeirevier...

Endlich kommt dann auch unser Bus. Erster Halt ist das koreanische Kriegsdenkmal – dort wird mit viel Aufwand ziemlich viel Kriegsmaterial ausgestellt: Panzer, Raketen, Flugzeuge usw... Und überall ist das Militär unterwegs. Wir laufen ein Stück und tauchen ein in ein älteres Viertel: Itaewon. Es reihen sich unzählige Shops aneinander, die schmalen Gassen schlängeln sich den Berg hoch. Die Häuser sehen aus wie in einer amerikanischen Vorstadt – hier sieht man also schon den Einfluss der jahrelangen amerikanischen Präsenz. Richtig nett mit den Außentreppen, den Ziegelmauern und den Details an jedem Haus.

Leider fährt uns der nächste Bus vor der Nase weg, und leider kommt auch in den nächsten 2 Stunden keiner. Wir haben also viel Zeit, den Verkehr zu beobachten ... Da es doch schon sehr spät ist, schnell zurück ins Zentrum und zum Nanta Theater, wo wir uns eine eher modern-koreanische Aufführung anschauen. Wir kommen gerade noch rechtzeitig, und es hat sich gelohnt. Die Trommelshow ist sehr gut inszeniert und auf jeden Fall unterhaltsam!

Wir spazieren noch etwas durch das sehr nobel wirkende Kulturviertel, bevor wir uns aufmachen ins Studentenviertel. Restaurants und Bars reihen sich aneinander, die Straßen sind sehr belebt und größtenteils Fußgängerzone. Meistens kann man auf der Terrasse sitzen – das hat uns also in Shanghai auch gefehlt... wir suchen uns also ein schickes Restaurant; die Preise sind leider überall auf deutschem Niveau, doch das Essen ist genial! Ziemlich kaputt machen wir uns auf den Heimweg – oder versuchen es zumindest. Die Taxen halten zwar an und wir steigen auch erst mal ein. Die anderen drei haben Glück, sie dürfen weiterfahren ... unser Taxifahrer meint, er fährt da nicht hin, wo wir hinwollen. Das geht uns bei den nächsten Taxen nicht anders, also fragen wir ein paar Koreaner, ob sie das mal für uns machen könnten. Die hatten dann auch erst beim zweiten Versuch Erfolg ... keine Ahnung wieso, aber das ist wohl so hier. Und es ist ein komisches Gefühl, wenn man die anderen alle nicht erreichen kann – unsere Handys funktionieren nämich wegen dem speziellen Übertragungsstandard in Korea nicht. 3 Tage ohne Handy also!

Nach einer kurzen Nacht machen wir uns auf den Weg zum Highlight des Wochenendes: wir nehmen an einer Tour zur Grenze zwischen Nord- und Südkorea teil. Im Businessoutfit (wg. der Kleiderordnung) heißt es zum ersten Mal vor dem Einsteigen in den Bus Ausweisekontrolle. Und das war lange nicht die letzte. Mit Bus und Reiseführung (alleine darf man dort natürlich nicht hin) fahren wir etwa eine Stunde bis wir an der demilitarisierten Zone (DMZ) ankommen. Ausweisekontrolle am Checkpoint. Koreaner kommen hier übrigens i.d.R. nicht rein, außer sie warten ein paar Monate und haben eine makellose Vergangenheit... Die Zone ist auf jeder Seite der eigentlichen Grenze 2 km breit – und ein ökologischen Paradies, da dort nur sehr wenige Leute mit einem speziellen Status leben. Ein Großteil ist vermient. Erster Stopp ist der dritte der vier gefundenen Tunnel, der von Nordkorea gegraben wurde und wohl zum Einmarsch nach Südkorea dienen sollte. Mit einer kleinen Bahn fahren wir 70 Meter unter die Erde und können in einem Teil des 1,6 km langen Tunnels bis zur ersten Absperrung gehen. Wieder oben angekommen, können wir nach einem nach unserer Meinung ziemlich propagandistischen Film durch das kleine aber sehr interessante DMZ Museum gehen, wo die Vergangenheit Koreas und verschiedene Zwischenfälle dokumentiert sind. Und schon geht es weiter zu einer Observationsstation, von der aus man einen guten Blick auf die DMZ und nach Nordkora hat – wenn gutes Wetter ist. Leider ist es an diesem Tag etwas diesig. Nächster Stopp ist Dorasan Station, der letzte Bahnhof vor Nordkorea. Alles ist noch ziemlich neu, doch es fahren anscheinend schon Züge nach Nordkorea.

Letzter Stopp vor dem Mittagessen ist eine Brücke direkt an der Grenze, an der viele Koreaner, deren Familien getrennt sind, Nachrichten hinterlassen. Und dann endlich das Essen: in einem richtig traditionellen koreanischen Restaurant. Schuhe ausziehen, sitzen tut man auf Kissen auf dem Boden. Es gibt koreanischen Hotpot, der wirklich gut ist! Und hiermit ist der touristische Teil der Tour vorbei. Bis jetzt gab es überall Souvenirstände und die Reiseagentur hat dominiert; Fragen waren nicht wirklich erwünscht, und irgendwie hat man schon etwas Propaganda rausgehört. Ab sofort regiert das UN-Militär – und der interessantere Teil der Tour. Die Kleiderordnung wird nochmal kontrolliert, Ausweise zeigen und rein geht es ins Camp Bonifas, wo die UN-Soldaten stationiert sind. Als Einführung dürfen wir eine Erklärung unterschreiben, dass man sich bewusst ist, feindliches Gebiet zu betreten, dass die Möglichkeit besteht, aufgrund feindlicher Übergriffe verletzt oder getötet zu werden usw. Nach einer kurzen Einführung über JSA (Joint Security Area) werden wir nochmals darauf eingeschworen, die strengen Verhaltensvorschriften zu befolgen: Immer in der Gruppe bleiben, kein Winken, kein mit-dem-Finger-zeigen, nicht mit den Soldaten reden, auf gar keinen Fall mit den nordkoreanischen, keine Fotos schießen, wenn nicht ausdrücklich erlaubt (wie schon auf der gesamten Tour) ... Eine falsche Bewegung könnte die letzte sein. Ein amerikanischer GI begleitet uns auf der Fahrt in einem Militärbus durch das Gebiet. Zuerst stoppen wir in Panmunjom, der Grenzstadt, in der UN- und nordkoreanische Gebäude stehen. Von einem Aussichtsturm sehen wir auf die kleinen Gebäude – und auf die nordkoreanische Seite. Vor den Gebäuden stehen die UN-Soldaten stramm. Es wird uns gesagt, dass die nur hier stehen, wenn Touristengruppen unterwegs sind. Zu deren Schutz. Von der nordkoreanischen Seite werden wir mit Ferngläsern beobachtet. Komisches Gefühl.

Zurück im Gebäude heißt es erneut in Zweier-Reihen aufstellen und in der Gruppe wieder hinaus – zu dem Gebäude, in dem in den 50er Jahren die Verhandlungen zwischen Nord- und Südkorea staatfanden. Die Grenze befindet sich in der Mitte des Gebäudes, es stehen 2 Soldaten kampfbereit im Raum, einer „bewacht“ die UN-Flagge am Tisch. Man betritt hier also nordkoreanisches Gebiet! Ja, ich war ein paar Meter in Nordkorea! Erneut komisches Gefühl.

Zügig wieder zurück zum Bus und weiter. Unter Militärbegleitung und unserem GI-Reiseführer fahren wir noch vorbei an der Bridge of no Return und an der Stelle, wo der Axe Murder Zwischenfall stattfand, bei dem zwei amerikanische Soldaten getötet wurden. Von weiteren Punkten hat man einen Blick auf die beiden „Propaganda-Städte“ auf beiden Seiten: die südkoreanische ist bewohnt (man hat hier super-Sonderstatus und darf hier nur unter bestimmten Bedingungen wohnen oder hineinheiraten), die nordkoreanische ist angeblich eine Geisterstadt. In beiden steht ein riesiger Mast mit den entsprechenden Flaggen – wobei der nordkoreanische höher ist... Und damit geht die sehr interessante und auf jeden Fall lohnenswerte Tour zu Ende. Ein einmaliges Erlebnis, das schon ab und zu etwas mulmige Gefühle aufkommen ließ!

Zurück in Seoul fahren wir Richtung Business District, von wo aus unsere Fähre ablegt, mit der wir uns Seoul bei Nacht vom Fluss aus anschauen wollen. Da wir noch etwas Zeit haben, setzen wir uns gemütlich auf eine der zur Verfügung gestellten Decken am Flussufer – wie lange haben wir das denn schon nicht mehr gemacht?! In Shanghai wird man immer und überall gleich vom Rasen geworfen... sehr relaxte Stimmung, mit Blick auf das Financial Center – das ganz ohne riesige Wolkenkratzer auskommt – das höchste hat gerade mal 63 Stockwerke.

Die Bootsfahrt ist dann auch sehr entspannt. Natürlich ist die Skyline nicht sehr spektakulär, wenn man die von Shanghai vor der Haustür hat. Aber trotzdem nett. Den Abend lassen wir dann bei einem gemütlichen koreanischen Barbecue ausklingen – ok, die konnten ausnahmsweise mal kein Englisch.

Am Sonntag regnet es vormittags leider, aber da wir unsere Bustour fortsetzen, stört uns das nicht unbedingt. Nur leider ist die Sicht vom Seoul Tower, der auf einem Hügel steht und eigentlich einen tollen Blick auf die Stadt bietet, nicht wirklich gut. Aber man kann nicht alles haben. Doch pünktlich zur Tour durch den größten Palast Seouls ist das Wetter wieder gut. Und der Palast ist wirklich groß. Ein Gebäude reiht sich an das nächste – die haben es sich schon gutgehen lassen! Wir nehmen eine kostenlose Reiseführung, was gar nicht schadet, um zumindest einen kleinen Background zu haben.

Als nächstes zieht es uns nach Insadong, einem traditionellen Viertel mit unzähligen kleinen netten Läden – und alles ist so gepflegt und sauber! An einigen der kleinen Straßenständen probieren wir koreanisches Essen ... mmmhhhmmm! Als wir weiterziehen, kommen wir plötzlich an einem Stück Mauer vorbei. Man glaub es nicht: ein Stück der Berliner Mauer! Gestiftet von Wowereit, als Symbol für die Wiedervereinigung...

Und dann ein anderes Highlight Seouls: Ein riesengroßer Markt, Myeongdong Market. Keine Ahnung wie viele Straßen und Geschäfte der umfasst, es sind auf jeden Fall mehr als genug. Ein Shoppingparadies für jedermann. (Aber im Gegensatz zu Shanghai kein „watch, bag, DVD“ alle 5 Meter. Richtig relaxtes Shopping ... Und dann müssen wir uns langsam wieder auf den Weg zum Flughafen machen. Ein tolles und so ganz anderes Wochenende geht leider viel zu schnell zu Ende. Und für alle, die denken, Asien ist Asien: nein, ist es nicht. Korea ist sehr sehr anders als China. Und Seoul ist auf jeden Fall lebenswert (soweit man das nach 3 Tagen beurteilen kann). Eine Stadt, die sich entwickelt, und wo nicht alles alte abgerissen wird und durch glitzernde Bürogebäude oder unschöne Wohnblocks ersetzt wird. Schön, es gesehen und erlebt zu haben. Cooler Trip!! Achja: Angenehm, wieder die eine Sprache zu hören, in der man zumindest einiges versteht und sagen kann ;-)

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