14. September 2007

Das Dach der Welt: ein Trip durch geniale Landschaften bis an den höchsten Berg der Welt

8 Uhr: die Tour, die die beeindruckendste meines Lebens werden soll, beginnt. In Lhasa sieht es noch nicht danach aus – es regnet. Noch einmal fahren wir am gigantischen Potala Palace vorbei. 2 Jeeps mit Fahrer und einem Guide, bepackt mit 4 Amis, 2 Australiern und Katja und mir. Bis wir aus Lhasa richtig raus sind, kommen wir noch an einigen ärmlichen Häusern und Industriegebieten vorbei, doch dann beginnt der schöne Teil: wir fahren durch das Tal, die Wolken reißen am Horizont bereits auf. Wir sehen 360 Grad um uns Bergketten... Schon bald kommen wir an einem Checkpoint vorbei, der erste von vielen. Unser Guide bzw. die Fahrer geben jedes Mal irgendwelche Dokumente ab. Chinesische Bürokratie. Weiter geht die Fahrt, vorbei an kleinen Dörfern mit Kindern an der Straße, vielen Bergen, Seen, Steppen. Nein, es ist nicht grün hier, überhaupt nicht. Es wachsen nur einige Sträucher und Gräser. Schon bald beginnt eine Bergstraße mit unendlichen Serpentinen. Viele Busse und LKWs schlängeln sich den Berg hoch, und noch mehr Jeeps. Das Panorama ist gigantisch. Man sieht hinunter auf die kleinen Orte, die kleinen Getreidefelder, die sich überall wo nur irgend möglich befinden. Und dann sind wir oben, auf dem Kambala-Pass auf 4.660 Metern über dem Meer. Auf der einen Seite sieht man hinunter auf das Tal, mit den vielen anderen Gebirgen im Hintergrund. Und auf der anderen Seite: ein gigantisch großer und unglaublich schöner See – türkisgrün liegt er im Tal, umgeben von den vielen großen Bergen: Yamdrok-tso. Und ganz im Hintergrund sieht man auch schon einen der großen, schneebedeckten Gipfel eines Sieben- oder Achttausenders.

Nach einigen Fotos fahren wir die Strecke teilweise wieder zurück – zurück durch diese geniale Landschaft, durch das Tal, über einen weiteren Pass ins nächste Tal, immer wieder vorbei an diesen kleinen netten Dörfern, in denen so traditionell gelebt wird. Dann plötzlich Stau auf einer schnurgeraden Straße. Zig Jeeps reihen sich aneinander (nein, wir sind in diesem riesigen Tibet nicht allein unterwegs!), stehen zu zweit oder dritt nebeneinander auf der Fahrbahn. Ein Unfall, ein LKW ist umgekippt. Es dauert einige Zeit, bis der beseitigt ist – kaum bewegt sich auch nur ein Auto minimal, bewegen sich alle gleichzeitig. Und das Problem ist dann folgendes, als der LKW endlich von der Straße ist: Auf beiden Seiten des Unfalls stehen alle Jeeps auf beiden Spuren – natürlich unmöglich, für die jeweils andere Seite vorwärts zu kommen. Irgendwie geht es dann doch langsam, als ein paar intelligente Fahrer nachgeben und nicht gleichzeitig mit allen losfahren ;-)

In einem kleinen Restaurant an der Straße gibts Mittagessen – anscheinend halten hier alle Jeeps!! Die weitere Strecke ist ein Shortcut quer durch das Land, über holprige Kiesstraßen. Wir fahren direkt durch die Dörfer durch, kleine Kinder laufen neben unserem Wagen her, winken. Viele Schafherden und Kühe sind unterwegs, Landwirte pflügen mit ihren Ochsen das Feld. Und plötzlich befinden wir uns mitten in einer Wüste – Sanddünen! Die Berge sind auf der einen Seite gelb und mit Sand bedeckt, auf der anderen Seite sieht man das schwarze Gestein.

Nach einer endlos scheinenden holprigen Fahrt erreichen wir endlich Gyantse, wo wir unsere erste Nacht verbringen werden. Der kleine Ort liegt am Fusse einer Burgruine auf einem Berg und eines Klosters auf einem anderen. Sehr schöner Anblick! Wir besteigen das Kloster – und haben einen tollen Blick über die Häuser und rüber zur Burgruine.

Nachdem wir ein ziemlich schickes Hotel für ziemlich wenig Geld gefunden haben (kaum zu glauben bei diesen traditionellen Häusern, den Ochsenkarren, die durch den Ort fahren usw.), gönnen wir uns ein sehr leckeres Abendessen in einem kleinen chinesischen Restaurant – der Koch lässt uns sogar beim flambieren und kochen in seine Küche schauen. Coole Show und noch besseres Essen!

Die Sonne weckt uns am nächsten Tag, draußen auf der Straße sind schon Ochsenkarren und Traktoren unterwegs. Nach einem kurzen Frühstück fahren wir weiter nach Shigatse. Auf der Straße überholen wir immer wieder Traktoren, Esel und Pferde, die auf ihren Karren Leute aufs Feld zur Ernte fahren. Große Getreidefelder säumen die Straßen, wo das Getreide von Hand geschnitten wird. Hinter den weiten Feldern ragen die Berge empor, davor grüne Bäume, die goldgelben Getreidefelder – und dazu tiefblauer Himmel. Weiter gehts durch kleine Ortschaften, vorbei an den bunt bemalten Häusern. Zwischendrin immer wieder die Tiere, die hier auf engstem Raum mit den Menschen leben.

In Shigatse steht die Besichtigung eines weiteren Klosters auf dem Programm. Viele Tempel sind auf dem Gelände, in einem davon ein riesiger, 26 Meter hoher Buddha. In der Straße gibt es natürlich wieder die typischen Märkte. Die Leute waschen ihre Wäsche auf dem Gehsteig, Traktoren und Tiere fahren und laufen scheinbar ohne Regeln mitten durch die Stadt, die immerhin die zweitgrößte in Tibet ist! Am Nachmittag setzen wir uns gemütlich in den Hof unserer Unterkunft – es ist ziemlich heiß, und die Höhe macht doch etwas zu schaffen, deshalb ist erst mal relaxen angesagt. Am späten Nachmittag machen wir uns auf den Weg, den Kora, einen Rundweg um die Stadt, zu gehen. Vorbei am Kloster und bergauf bis zum dzong, einem „Mini-Potala“, wie wir ihn wegen des Aussehens nennen. Neben dem kleinen Weg befinden sich unzählige Gebetsmühlen, die Gläubigen drehen jede einzelne davon beim Vorbeigehen. An den Bergen wehen tausende bunte Gebetsflaggen. Als wir oben ankommen, haben wir einen tollen Blick über Shigatse, und quer durch die Altstadt laufen wir zurück, um uns bei leckerem tibetischen Essen zu stärken. Beim Rückweg in unser Hostel gegen 21 Uhr sind bereits alle Läden geschlossen, in den Straßen ist es stockdunkel...

Der nächste Tag soll genial werden: die Fahrt zum Basislager des Mount Everest steht an. Quer durch endlose tolle Landschaften fahren wir durch das Land. Und gegen Mittag kurz vor dem Ort Tingri ist es dann so weit: der erste Blick auf den höchsten Berg der Welt und viele weitere weiße Gipfel. Noch sind wir ziemlich weit weg, aber es ist umwerfend. Beeindruckender von hier aus ist eigentlich der Cho Oyu, einer der vielen Gipfel in der Bergkette. Aber bevor wir dort ankommen, haben wir noch eine qualvolle und nicht enden wollende Fahrt auf extrem holprigen Straßen vor uns. Unseren Jeep schaukelt es von einem Schlagloch ins nächste. Aber die Landschaft entschädigt für einiges. Herden von Yaks grasen auf den Ebenen, überall gigantische Gebirgszüge, immer wieder tibetische Nomaden, die ihre Zelte an Wasserstellen aufgeschlagen haben. Und immer wieder ein kurzer Blick auf den Mount Everest. Und dann sind wir fast da. Wir fahren durch ein Gewitter, es regnet und schneit, doch dahinter der Gipfel des Mount Everest in der Sonne. Ein unvergesslicher Augenblick. Angekommen im Basislager für die Touristen: An beiden Seiten der Kiesstraße reihen sich etwa 40 Zelte auf, in jedem schlafen 4 bis 6 Leute. Die Betten sind entlang der Zeltwand, in der Mitte befinden sich ein paar kleine Tische und die Feuerstelle. Es gibt natürlich nur kaltes Wasser aus der Quelle und provisorische Toiletten – alles eben sehr sehr einfach. Wir machen uns gleich auf den Weg auf die vier Kilometer lange Strecke bis zum eigentlichen Basislager und wo man dann als Tourist nicht mehr weiter darf. Obwohl die Straße nur leicht bergauf geht, ist die kurze Wanderung extrem anstrengend in dieser Höhe, es sind immerhin 5.200 Meter! – aber wir haben immer den Gipfel des höchsten Berges vor uns. Dann der tolle Sonnenuntergang, und in der Dunkelheit gehts wieder zurück zu unserem Zelt. Dunkelheit und unzählige Sterne – unbeschreiblich. Es ist wirklich ein Sternenmeer, die Milchstraße ist zu sehen, eigentlich müsste man unter freiem Himmel schlafen – wenn es nicht so kalt wär hier oben!! Der eisige Wind pfeift sogar durch die Zeltwände, aber unsere Gastgeber haben uns gut mit zwei dicken Decken versorgt. Schlafen kann ich in dieser Nacht trotzdem nicht, die Höhe schlägt an. Der Kopf brummt, und das Herz schlägt wie verrückt. Morgens wird es besser, und als die Sonne aufgeht und die dünnen Schleierwolken über dem Gipfel orange färbt, ist das sowieso egal. Zurück im Zelt gibt es erst mal Yak-Butter-Tee zum Frühstück, der gar nicht mal so übel ist, wie ich finde. Und schon bringt unsere Gastgeberin (die kein chinesisch oder englisch spricht, und wir kein tibetisch) eine Schüssel mit heißem Wasser. Zeit für eine schnelle Katzenwäsche hinter dem Zelt, danach gehen wir dann zusammen mit den Amis nochmal hoch zum eigentlichen Basislager; die gehfaulen lassens ich von einem der vielen Esel nach oben bringen. Der Tag ist wieder toll, es scheint die Sonne, nur der Wind ist etwas kalt. Aber was will man erwarten auf über 5.000 Metern Höhe! Und man glaub es kaum, die chinesischen Soldaten wollen wirklich unsere Ausweise sehen hier oben...

Zurück im Zelt, machen wir uns erst mal einen unserer Nudeltöpfe, wichtigstes Nahrungsmittel ;-) und dann wird etwas Schlaf nachgeholt. Plötzlich fängt es dann wieder zu schneien an, was aber nicht lange dauert. Und eigentlich ist es ganz gemütlich hier oben, mit Sonne und einem guten Buch ... Abends setzen wir uns dann im Zelt der Amis zusammen und lassen uns von den tibetischen Frauen bekochen. Beim Rückweg ins Zelt dann wieder dieser gigantische Anblick des Sternenhimmels, der Milchstraße ...

Am nächsten Morgen gehts dann ziemlich flott los, wir packen schnell unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Weg Richtung nepalesische Grenze. Als wir losfahren, ist das Wetter noch gut, doch schon bald ziehen Wolken auf und bedecken die höchsten Gipfel. Zurück geht es natürlich wieder über die selbe holprige Straße wie auf dem Hinweg, wieder vorbei an den Yak- und Schafherden, den Nomadenzelten. Das Wetter hier ist noch super, doch die Gipfel werden immer bedeckter. Nach einem Mittagsstopp in Tingri in dem uns schon bekannten kleinen Restaurant fahren wir weiter auf einer extrem staubigen Straße, wo wir bei Gegenverkehr erst mal gar nichts mehr sehen. Es geht bergauf und bergab, teilweise befinden wir uns auf über 5.100 Metern, als wir ein paar Pässe überqueren, von denen wir nochmal eine geniale Aussicht auf das Himalayagebirge haben. Doch dann geht es bergab, unendlich lange. Und auf einmal ist das Wetter schlecht, und zwar richtig schlecht. Es herrscht starker Nebel, immer wieder regnet es – die Regenzeit Nepals macht sich hier bemerkbar. Eigentlich schade, denn die Schluchten, Wasserfälle und das Grün hier wären richtig sehenswert! Fast die komplette Bergstraße, die wir uns in Serpentinen hinunterschlängeln, ist im Bau. Die Tibeter arbeiten wirklich mit den einfachsten Mitteln, schleppen schwere Steine auf ihren Rücken und arbeiten mit ihren Händen am Bau der Straße – und darunter sind auch einige Frauen!

Dann plötzlich geht nichts mehr vorwärts, wir stehen in einer Kolonne von etwa 15 Jeeps mitten im Nichts. Rechts von uns geht es ohne Sicherung hunderte Meter nach unten, links der Straße ragen die Felsen empor. Also, was ist passiert? Ein Erdrutsch, irgendwo vor uns (am Vorabend hieß es noch, wir können die Strecke überhaupt nicht befahren bzw. sie wäre nur nachts offen – zwar auch sinnlos, aber versteh einer diese Logik). Also warten, bis die Straße wieder freigeräumt ist. Es heißt, zu dieser Zeit sind die Erdrutsche ganz normal, wegen der Regenzeit. Nach zwei Stunden warten geht es weiter, einige Kilometer, wieder vorbei an Arbeitern, Zelten, bereits beseitigten Erdrutschen – und wieder müssen wir anhalten. Ein weiterer Erdrutsch. Wir stehen unter einem Felsvorsprung, es regnet, und wir warten geduldig im Auto. Langsam bekommen wir Hunger, aber viel Vorrat haben wir nicht mehr. Plötzlich ein lauter Knall, und noch einer, und noch einige ... unten beim Erdrutsch werden die Felsen gesprengt, die auf der Straße liegen. Schon irgendwie unheimlich ... langsam dauert es lange, es wird dunkel und wir stehen noch immer. Wenn es blöd läuft, müssen wir hier im Auto übernachten. Also suchen wir uns schon mal die gemütlichste Stellung für jeden – falls man das gemütlich nennen kann. Katja vorne, Tom zwischen Vorder- und Rücksitz, ich auf der Rücksitzbank, Nick im Kofferraum auf den Rucksäcken. Nach ca. 5 Stunden rollt die Kolonne um halb 11 nachts endlich weiter, vorbei an dem riesigen Felsen, der die Straße versperrte. Und dann ist endlich der Grenzort in Sicht, Zhangmu. Der Ort besteht eigentlich nur aus einer Straße am Berg, an der Seite stehen unzählige Lastwägen, und die Häuser schlängeln sich an den Serpentinen nach unten. Es regnet noch immer, die Straße ist eigentlich ein kleiner Bach. Zum Glück finden wir noch eine Unterkunft, auch wenn die wirklich unter aller S... ist. Aber endlich mal wieder duschen.

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